• Aufeinander Zugehen - Miteinander Leben

Wie aus einem Flüchtling ein Musiker mit Plattenvertrag wurde

Rami Basisah spielte auf seiner Flucht nach Deutschland Geige für Mitflüchtlinge. Das Foto ging um die Welt, verschaffte ihm einen Plattenvertrag – und bald seine erste CD.

Was Rami Basisah passiert ist, klingt so märchenhaft – man möchte wieder an Wunder glauben. Der junge Mann aus Syrien verdankt sein Glück einem Foto, das auf seiner Flucht von Syrien nach Deutschland an der griechisch-mazedonischen Grenze entstanden ist. Es zeigt den 21-Jährigen inmitten von Schicksalsgenossen, wie er mit nach innen gekehrtem Blick für sie seine Geige spielt. Das Foto ging als eine Ikone der großen Flucht durch die Medien – und bescherte dem jungen Mann, der in Hohberg eine neue Heimat gefunden hat, einen Plattenvertrag.

Und zwar nicht irgendeinen. Es ist einer der großen in London ansässigen Musikproduktionskonzerne – der Name soll derzeit noch geheim bleiben –, der dem jungen Syrer den Vertrag angeboten hat. Allein aufgrund der Tatsache, dass ein Entscheider dieses Konzerns die in diesem Foto steckende vermarktbare Geschichte erkannte und sagte: „Mit diesem Mann will ich eine CD machen.“
Winfried Oelbe, Musiklehrer am Offenburger Schiller-Gymnasium, erzählt die Geschichte beim Treffen mit der BZ.

Rami Basisah kam über die Balkanroute zuerst nach München
Er und seine Frau, Theresia Schaub-Oelbe, springen immer dann erzählend ein, wenn Rami Basisah mit seinem schon beachtlich guten Deutsch nicht weiter kommt. Der 21-Jährige strahlt wie ein Hans im Glück, wenn von den Wundern die Rede ist, die ihm widerfahren sind. Wenn die Rede auf seine Flucht kommt, huschen Schatten über sein Gesicht.Doch die Macht des Wunderbaren ist in diesem Jungen so stark, dass sie die Erlebnisse der Flucht derzeit zu verdrängen vermag.

Er hatte schon das Glück, es auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, nach Deutschland geschafft zu haben. Über die Balkanroute gelang es ihm, über Passau und München in die Erstaufnahmeeinrichtung in Sasbachwalden zu kommen. Seine Geige, mit der er zweimal mit einem Flüchtlingsboot in der Ägäis gekentert war und sich und sie jeweils schwimmend an Land retten konnte, hatte er später in Ungarn auf der Flucht vor Grenzpolizisten verloren.

Der Kulturbeauftragte der Stadt Achern besorgte Basisah eine Ersatzgeige
Im Hotel Bel Air in Sasbachwalden traf er die in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich engagierte Schauspielerin Ursula Bengel. Sie vermitteltet den Kontakt zu Jochen Lemme, dem Kulturbeauftragten der Stadt Achern, der dem Jungen eine Ersatzgeige besorgte. Anschließend kam der 21-Jährige über Umwege in die Lahrer Ortenauhalle, ein Massenlager mit 250 Menschen.Zum Üben ging er, der bereits im syrischen Homs am Konservatorium studierte, in den Waschmaschinenraum. Der in der Flüchtlingsarbeit engagierte Pfarrer der Lahrer Luthergemeinde, Frank-Uwe Kündiger, verschaffte ihm einen Proberaum und Musikunterricht an der Lahrer Musikschule.

Mittlerweile war sein Asylantrag bearbeitet. Rami erhielt eine dreijährige Anerkennung. Über Vermittlung einer Flüchtlingsbetreuerin kam der Kontakt zum Ehepaar Oelbe in Niederschopfheim zustande. Theresia Schaub-Oelbe hatte in Vorbereitung auf ihr geplantes Flüchtlingsengagement bereits zwei Semester Arabisch an der Universität Freiburg gelernt. Das kam Rami, der nur wenig Deutsch sprach, wieder wundersam entgegen.

Merkwürdige SMS aus London
Das Ehepaar brachte den jungen Mann in der Einliegerwohnung seines Hauses unter. Dort kann er nach Herzenslust üben. Musiklehrer Winfried Oelbe begleitet zuweilen am Piano.Im März 2016 landete dann eine merkwürdige SMS aus London auf Ramis Handy an. Ein Produzent des eingangs erwähnten Musikkonzerns hatte in Online-Magazinen für Musik das ikonenartige Foto von Rami gesehen. Per Google-Übersetzer begann die Kommunikation via Smartphone. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um ein ernstgemeintes Angebot handelt. Die Oelbes schalteten sich vermittelnd ein. Vertreter des Konzerns kamen aus London nach Niederschopfheim, um Rami und seine musikalischen Fähigkeiten kennenzulernen.

Der Vertrag war bald unter Dach und Fach, CD im Februar
Das verlief zu deren Zufriedenheit. Der Musikkonzern forderte Rami auf, einen im Musikgeschäft beschlagenen Anwalt für die Vertragsverhandlungen zu benennen. Die Oelbes fanden mit Christopher Müller, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in München, der zum Beispiel David Garrett vertritt, den richtigen Mann. Der Vertrag war bald unter Dach und Fach.Die CD-Aufnahmen konnten beginnen. Rami wurde nach Karlsruhe ins Studio gebeten, wo er über Orchesteraufnahmen, die in Prag entstanden waren, seinen Solopart ein spielte. Auf der CD kommt es sogar zur Wiedervereinigung mit Ramis Bruder. Auch er ist Musiker und war vor der Rekrutierung durch die Assad-Truppen in den Libanon geflüchtet. Sein Bouzouki-Part wurde in Beirut aufgenommen und in London dazugemischt.

Die CD soll planmäßig im Februar erscheinen. Bis dahin spielt Rami kleinere Auftritte, die bei dem ganzen Hype zu seiner Erdung beitragen sollen. Am Sonntag, 30. Oktober, ist er ab 11 Uhr beim Benefizkonzert des Offenburger Ensembles für die Flüchtlingshilfe Rebland im Offenburger Schiller-Saal zu erleben.

Quelle: http://www.badische-zeitung.de/offenburg/fuer-alle-die-an-wunder-glauben

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